Mein erster Ippon (von Ralf Kollmann)

03.12.2022

Es ist Nikolaus-Turnier in Hamburg, eine schöne Gelegenheit, um in entspannter Atmosphäre Erfahrungen im Shiai zu sammeln. 

Da wir nachmittags mit Freunden in Hamburg verabredet sind, entscheidet sich die ganze Familie, mich zu begleiten und tatkräftigen Beistand zu leisten. Nicolas und Pascal sind gespannt darauf, ein paar Kämpfe zu sehen, Lucas hat sich relativ früh auf das Buffet mit Würstchen und Schokolade (kann man auch zusammen essen) eingeschossen. 

Da es sich um ein reines Spaß-Turnier handelt, werden die Teams am Anfang ausgelost: immer ein Kind, ein Kyu- und ein Dan-Träger. Ich bin im Team zusammen mit einem achtjährigen Jungen – sein Men ist unterhalb von meinem Kote – und mit Jonathan, einem sehr freundlichen und extrem fitten Kendoka aus den Niederlanden. Er übernimmt sofort die Koordination des Teams und sorgt dafür, dass wir zu jeder Zeit am richtigen Ort stehen und das Richtige tun. Peter hatte mir im Vorfeld zudem noch den Tip gegeben: keine Experimente, mach einfach saubere Men-Schläge. In der Theorie ganz klar, an der Praxis arbeiten wir noch. 

Zwei Kämpfe durfte ich bestreiten: eigentlich lief es ziemlich gut und brachte mir zunächst die durchaus wertvolle Erkenntnis, dass wiederholtes  Heraustreten aus der Kampffläche mit einem Hansoku geahndet wird. Darüber hinaus gelang mir mein erster Ippon durch einen Men-Treffer. 

Die Zeit nach den Kämpfen nutze Jonathan, um mir mit viel Geduld diverse Tips zu Fußarbeit, Schlagtechnik und Haltung zu geben. 

Insgesamt war es ein toller Tag mit vielen freundlichen Begegnungen, viel Spaß und jede Menge neuen Erfahrungen. Von mir aus hätte es noch länger gehen können – aber das nächste Turnier ist ja bereits in Sicht. 

Ralf

Bericht von den Europameisterschaften im Kendo 2022

Es ist Samstag, der 28.05.2022.

Peter hat sich eine schwere Erkältung eingefangen und fällt für diese Reise aus. Lili muß wegen einer Corona-Infektion ebenfalls zuhause bleiben. Beide haben unser volles Mitgefühl, ihre Enttäuschung können wir nachvollziehen.

Zeynep hat sich bereit erklärt, ihre Familienkarosse zur Verfügung zu stellen und so machen wir (Zeynep, Oli und ich) uns auf den Weg nach Frankfurt/M. zur Kendo-EM 2022 (O-Ton Peter: „nicht hauen, nur gucken“).

Im Anschluß an die Wettkämpfe sind Dan-Prüfungen geplant.

Während der Fahrt macht Zeynep ihrem Prüfungsstress durch Reden Luft. Oli auf dem Rücksitz steuert nur ab und zu ein leises „hmmm“ zur Unterhaltung bei und ich folge dem Ganzen total entspannt – der Prüfungsstress geht mich ja schließlich nichts an.

Die Location in Frankfurt macht einer Europameisterschaft alle Ehre:

Eine riesige Halle mit Zuschauertribünen, breiter Tartanbahn rund um die Manege und im Mittelteil 4 Wettkampfflächen inkl. Schiedsrichterpodesten. Im Rahmen der Verkehrswende hat man allerdings nur einige wenige Parkplätze vorgesehen. Eine 3/4 Stunde Parkplatzsuche in den Nebenstraßen läßt den Prüfungsstress verblassen. Ein Anwohner macht uns freundlich mit den Worten „DIES IST EIN PRIVATPARKPLATZ!!!“ auf unsere mangelnden Verkehrsregelkenntnisse  aufmerksam. Egal! Dann parken wir einfach weiter entfernt und schleppen unser ganzes Gerödel zur Halle.

Vor der Halle finden sich viele Menschen aus allen Gegenden der Welt, die sich lange nicht gesehen haben. Großes Umarmen, „Hallo“ und „Nice to See you again“. Namensschilder aus Frankreich, Belgien, Isreal, Slowenien, Südafrika, Polen, usw. verstärken das internationale Flair. Wer gerade genau gelesen hat und keine fünf-minus in Erdkunde hatte, bemerkt, daß Israel und Südafrika nicht in Europa liegen – egal – die Kendo-Welt definiert die Grenzen eben anders.

Die Klangkulisse in der Halle ist nichts für schwache Nerven. Auf den Wettkampfflächen brüllen die Teilnehmer, was das Zeug hält und was die Stimme hergibt.

 

 

 

 

 

Jemand spricht Zeynep an: „Ah, Du auch hier, Du machst Prüfung? Dann mach das bloß nicht so wie die Wettkämpfer da unten“. Ich verstehe diesen Ratschlag erst, als ich auf die Wettkampffläche schaue. Das Karacho-Kendo dort unten hat nichts mit dem Kendo zu tun, das wir zuhause praktizieren. Technik ist nur rudimentär zu erkennen, statt dessen Power, Power, Power. Ich verstehe nicht, wie die Schiedsrichter Punkte vergeben, wenn sie die Treffer vor Schnelligkeit nicht sehen können. Ich bin schwer beeindruckt.

Die gleiche Szenerie am nächsten Tag. Einzelne Kämpfe zu kommentieren, fällt schwer. Zu viele hervorragende Kendoka zeigen Kendo in Weltklasse.

Am späten Nachmittag dann Siegerehrungen, Nationalhymnen, großer Applaus.

Anschließend Dan-Prüfungen. Ich postiere mich mit Stativ und Kamera auf der Tribüne, um die wichtigen Ereignisse festzuhalten. Als die ersten Probanden erscheinen, gerate ich in Streß: alle Rüstungen ohne Namensschild, keine Unterscheidungsmerkmale mehr. Wessen Prüfung soll ich denn jetzt filmen? Ich schalte die Kamera auf gut Glück ein und aus und hoffe auf Zufallstreffer.

Es wird im Schnelldurchlauf geprüft. Maximal 60 Sekunden Shiai, in denen die Prüflinge ihr Können zeigen dürfen. Anschließend gleichzeitig 10 Prüflinge, die in Paaren die Nihon-Kata vorführen.

Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse ebenfalls anonymisiert – Zeynep, wir sind so stolz auf Dich. Herzlichen Glückwunsch zum 3. Dan.

Vielen Dank an Zeynep für die Organisation und für den unermüdlichen Fahrdienst.

Gerd

Bericht vom Kendo Summer Seminar 2019 in Amsterdam

Tag 1:

06:00 Uhr – der Wecker klingelt – nicht meine Zeit.
Die Koffer sind gepackt, die Shinais sind frisch geölt, Gi und Hakama riechen nach Aprilfrische und Frühlingswiese, alle Bügelfalten messerscharf.
Ich frage mich, warum ich zwei Koffer für einen Wochenend-Trip brauche und bereite mich auf das Lästern meiner 3 Mitstreiter vor.
Um 7:30 Uhr geht’s auf nach Amsterdam zum Kendo Summer Seminar 2019. Das Lästern kommt wie erwartet.

Wir kommen (fast) pünktlich im Olympiazentrum an.
Circa 150 – 200 blau gekleidete Menschen meditieren in einer großen Sporthalle mucksmäuschenstill vor sich hin.
Sagenhaft, wie wenig Geräusche so viele Leute machen können – muß ich unbedingt zuhause den Nachbarskindern erzählen.
Auf den Zekken der Teilnehmer liest man Dublin, Lausanne, Den Haag, St. Petersburg, Hamburg, Kuwait, Canada u.a.,
also ein Who-is-Who des internationalen Kendo. Mit den 7. Dan-Senseis ist das obere Ende der Kendo-Weisheit markiert.
Ich befinde mich da mit meinem 3. Kyu eher am unteren Ende der Karriereleiter. – Egal – keine Angst vor großen Tieren, ich bin dabei!

Cut!

Zu Beginn des eigentlichen Trainings werden 4 Gruppen gebildet – je nach Qualifikation.
Die Verkehrssprache ist Englisch – was allerdings angesichts des Höllenlärms der Kiais bedeutungslos wird.
Irgend eine Gruppe brüllt immer, i.d.R. verstehe ich kein Wort – egal, in welcher Sprache.

Viel Zeit verbringe ich damit, in falschen Gruppen auf meinen Einsatz zu warten oder in richtigen Gruppen die falsche Technik zu üben.
Nein, ich leide nicht unter Konzentrationsschwäche oder Schwerhörigkeit.
Es bleibt mir aber bis heute ein Rätsel, wie andere Teilnehmer sich zurechtfinden.
Am Ende der Unterweisungen antwortet die Gruppe unisono mit einem donnernden „HAI“ – heißt soviel wie
„Ich weiß zwar nicht, worum es geht, mache aber gerne mit“. Japanisch ist eine rätselhaft Sprache.
Meine Strategie: Alle Übungen einen Sekundenbruchteil später anzufangen und erst einmal sehen, was die anderen machen –
(„When in Rome, do as the Romans do“).

Grundübungen.

Ich stehe einem Kendoka aus Dublin gegenüber.
Nach bekannten Begrüßungsritualen ein markerschütternde Schrei. Ich brülle zurück.
Sekundenbruchteile später verspüre ich einen stechenden Schmerz im rechten Unterarm und höre knapp an der Hörgrenze ein fieses „Zinnnnnggggg“ in meinem Men.
Mein Gegenüber ist verschwunden.
Ich drehe mich um – schon wieder dieser Schmerz und dieses fiese „Zinnnnnggggg“. Aus den Augenwinkeln sehe ich dieses Mal einen Schatten vorbeihuschen.
Ich drehe mich wieder um – der gleiche Effekt – Schmerz, „Zinnnnnggggg“, Gebrüll.

„Kote-Men“ – der japanische Ausdruck für „huschender Schatten macht „Zinnnnnggggg“ und tut im rechten Unterarm weh“.
Das Japanische bringt es wirklich mit kurzen Worten auf den Punkt.

Nach zwei Stunden Training wird es „kuschelig warm“ in der Halle. Von einem Nachbarn höre ich: „I feel like popcorn in a microwave“.
Ich weiß, was er sagen will. Eifriges Nicken von allen Umherstehenden.

Sensei lessons.

Man stellt sich in eine Reihe zu anderen Kendokas und wartet auf eine Personal Lesson eines Senseis.
Als ich an die Reihe komme, gebe ich mein Bestes. Bin überrascht, wie leicht es doch ist, bei einem 7. Dan einen Treffer zu landen.
Ich fühle mich wie ein kleiner König, stelle aber bald fest, dass der Treffer mir lediglich gestattet wurde.
Ich ernte ein mehrfaches „Zinnnnnggggg“ vom Sensei.

Um 17:30 Uhr ist Feierabend. Wir können die Rüstungen über Nacht in den Umkleiden lassen.
Schnell duschen (Handtuch vergessen – Tenugi als Ersatz, triefnass in die Straßenklamotten), schnell ins Hotel und dann in das Nachtleben von Amsterdam stürzen.
Den Gesprächen beim Essen folge ich nur noch rudimentär. Ständig fallen mir die Augen zu und ich freue mich auf mein Bett.

Tag 2:

Die Umkleiden riechen nach Pumakäfig auf aprilfrischer Frühlingswiese.
Ich bin froh, meine Rüstung in der Halle gelassen zu haben. Im Hotel hätte ich damit Hausverbot bekommen.
Die Kleidung ist vom Schweiß des Vortages immer noch klatschnass. Deo und Aprilfrisch haben leider den Härtetest nicht bestanden.
In meinen Kote hat sich ein unangenehm klebriger Schmierfilm gebildet.
Überflüssig, zu erwähnen, dass das Dress-up heute früh zu den eher unangenehmen Aktivitäten gehört.

Wieder diese Grundübungen – ich muß unbedingt herausfinden, die blauen Flecken meines Gegenübers als Trefferfläche zu lokalisieren.
Meine Partner haben das jedenfalls zur Perfektion vollendet.
Wohlbefinden definiert sich für mich anders.

Anschließend: Ji-Geiko

Toll. Nach 4 – 5 Ji-Geikos geht mir langsam die Puste aus und ich will mich unauffällig zurückziehen.
Schon steht wieder jemand vor mir und fordert mich mit einem freundlichen „onegai shimazu“ zum Tanz.
Na gut – dieses einem Mal kann ich ja noch mitmachen.
Nach Ende dieses Ji-Geikos steht wieder jemand vor mir – „onegai shimazu“.
Hilfe!!! Ich finde mich in einer Zeitschleife wieder.

Am Ende der Session kann ich meine Arme kaum noch heben.
Meine Fußarbeit ist zu einem Schlurfen geworden.
Aber es hat Spaß gemacht.

Abends: Sayonara-Party

Ein kurzer Spaziergang durch die City von Amsterdam. Es ist Christopher-Street-Day.
Die Luft ist erfüllt von bewußteinsverändernden Gerüchen. Alle grinsen beseelt vor sich hin.
Alles ist bunt, jeder hat eine Perücke auf oder mindestens einen Pailletten-Anzug an.
Wir fallen in unseren tristen Alltagsklamotten auf.

Das japanische Restaurant ist der Knüller.
Unzählige kleine Köstlichkeiten bis zum Abwinken.
Bei all meiner Skepsis vor zu viel Reis bin ich zum Fan japanischen Essens geworden.

Tag 3:

Die Umkleiden riechen nach einem Puma, der auf einer aprilfrischen Frühlingswiese verendet ist.

Shinpan-Lesson (Wettkampfrichter – Theorie).

Eine Menschentraube bildet sich um einen Sensei – es ist Shinpan Lesson (bin ich in der richtigen Gruppe???).
Total spannend – besonders, da mir das Bewertungs- und Punktesystem des Kendo bisher ein Rätsel geblieben ist.
Der Sensei erklärt auf japanisch sehr detailliert, wie Profis einen Kampf bewerten. Toll!
Gespannte Erwartung auf die Übersetzung. Gerade, als der Übersetzer seinen Job beginnt, dröhnt aus der anderen Ecke der Halle ein gemeinschaftliches Kiai.
Ich schalte auf visuelle Wahrnehmung um. Sensei und Übersetzer gestikulieren voll Eifer, um ihre Ausführungen zu verdeutlichen.
Irgend etwas mit Dreiecken scheint wohl von Bedeutung zu sein.
Am Ende der Übersetzung brülle ich „HAI“.

Anschließend: Shinpan-Training (Praxis)

A) Ich bin ein Demo-Objekt
Ich stelle mich als „zu bewertendes Objekt“ zur Verfügung.
Mein Gegenüber und ich schreiten auf die Wettkampffläche.
Abhocken – Kiai -Radadazong – Job done.
Abgang als Looser.

B) Ich bin ein Demo-Subjekt
Ich stehe als Kampfrichter am Rand der Kampffläche.
Zu beurteilen: Ein zwölfjähriges Kind gegen einen gestandenen Erwachsenen.
Radadadazong – die Zwölfjährige hat den Erwachsenen abserviert.
Ich gebe den entscheidenden Punkt.
Macht irgendwie Spass.

Fazit:

Der Aufwand, eine solche Veranstaltung perfekt auf die Beine zu stellen, läßt sich wohl kaum erahnen.
So ist allen Senseis, Organisatoren und Helfern für ihre Arbeit sehr zu danken. Ihr habt einen tollen Job gemacht.
Ich habe jede Minute des Seminars genossen (auch wenn obiger Text manchmal etwas ironisch ‚rüberkommt).

Das Timing, die Location und die einzelnen Sensei-Sessions waren einfach perfekt.

Besonderer Dank an die Lehrer

Kawakami Arimitsu sensei
Sakamoto Takashi sensei
Murakami Raita sensei
Kanda Tomohiro sensei

für ihre freundlichen Unterweisungen. Ich habe sehr viel bei diesem Seminar gelernt.

Und natürlich vielen Dank an Zeynep für ihren unermüdlichen Fahrdienst.

Kendo Seminare sind irgendwie wie Wacken Open Air – nur ohne Musik.
Jeder stöhnt über die Gegebenheiten, aber am Ende hatte jeder seinen Spaß und man verabredet sich für die Veranstaltung im nächsten Jahr.

Gerd

 

Bericht vom Jodan-/Nito-Lehrgang am 11./12.05.2019 in Wuppertal

Der diesjährige Jodan-/Nito-Lehrgang fand am 11.-12. Mai 2019 unter der Leitung von Thorsten Mesenholl (6.Dan) und Hanns-Peter Tomita-Herr (6.Dan) in Wuppertal statt.

Vom TSV Borgfeld haben Daniel Lowin und Zeynep Hein teilgenommen.

Hier Zeyneps Bericht zum Jodan-Lehrgang:

Unter der Leitung von Hanns-Peter Tomita-Herr hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich über die wichtigen Grundlagen des Jodan-no-Kamae und die Einsatzmöglichkeiten der Techniken im Kampf zu informieren und auszuprobieren. Der Lehrer hat sowohl über die Bedeutung und Notwendigkeit eines starken Seme als auch über eine deutlich offensiveren Haltung in Jodan-no-Kamae informiert. Es war eine sehr wertvolle Gelegenheit, sich die Technik von Herrn Tomita anzuschauen und mit den begeisterten, motivierten und netten Kendoka aus NRW zu trainieren.

Ich war sehr begeistert von der ganzen Lehrgangsgestaltung von Hanns-Peter Tomita-Herr. Intensives Aufwärmen, deutliches Erklären, Demonstration und gut geplante Erklärpausen hatten es mir ermöglicht, effizient zu trainieren und die mentalen und körperlichen Grenzen zu erweitern.

Während der freien Kampfzeiten gab es die Möglichkeit, gegen Nito- oder Jodankämpfer anzutreten und die neu gelernten Techniken anzuwenden. Verschiede Kamae und Kampf gegen zwei Schwerter haben es ermöglicht, sich neue Wahrnehmungen zu verschaffen und damit das vorhandene Kendowissen und die Kendotechnik zu verbessern.

Zusätzlich zu dem technischen Teil war es eine große Bereicherung, Herrn Mesenholl kennenzulernen und von seiner Erfahrung und positiven Einfluss zu profitieren.

Galerie

Einige Bilder vom Training und von Besuchen bei befreundeten Vereinen